Berichterstattung 2024 – was kommt auf die Unternehmen zu?

Veröffentlicht 22. Dez. 2023  | 4 Min. Lesezeit
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    Prof. Dr. Carsten Theile

In der nun schon einige Zeit zurückliegenden Phase der Null-Zins-Politik der EZB ist gespart worden, die grundgesetzlich vorgegebene Schuldenbremse tut ein Übriges: Nun sind rund 16.000 Brücken in Deutschland dringend sanierungsbedürftig (beste Grüße nach Lüdenscheid), die Bahn pfeift aus dem letzten Loch und die jüngste Pisa-Studie zeigt, dass es an den Schulen nicht nur an funktionierenden Toiletten mangelt. Das Bundesverfassungsgericht schiebt Buchungstricks einen Riegel vor, so dass 60 Mrd. EUR für den in der Tat notwendigen ökologischen Umbau des Landes fehlen. Ach ja: Ist auch vor Ihrem Haus neulich von gleich zwei Glasfaseranbietern kurz hintereinander die Straße aufgebuddelt worden? Man fasst sich an den Kopf …

Doch genug des Bashings, zumal in der Weihnachtszeit und beim Jahreswechsel. Es gibt ja auch Dinge, auf die wir uns verlassen können in der Community der Rechnungsleger und Berichterstatter: An den Anforderungen über das, was wir in 2024 zu tun und nicht zu lassen haben, wird wieder mal geschraubt. Ein kleiner Überblick zur Rechtslage und Rechtsentwicklung gefällig?

 

Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die im Dezember 2022 veröffentlichte und im Januar 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD bzw. CSR-Richtlinie) gibt der Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen mit Sitz in der EU einen neuen Rahmen und weitet den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich erheblich aus. Erstmals für das Geschäftsjahr 2024 mit Berichtspflicht in 2025 müssen die schon bisher nach §§ 289b ff., 315b ff. HGB berichtspflichtigen Unternehmen und Konzerne die Anforderungen der Richtlinie in ihrer jeweiligen nationalen Umsetzung erfüllen. Ein Jahr später dann der Big Bang: Für das Geschäftsjahr 2025 mit Berichtspflicht in 2026 kommen alle großen Kapitalgesellschaften (& Co.) hinzu, weshalb die Anzahl der in Deutschland berichtspflichtigen Unternehmen von rund 500 auf etwa 15.000 steigen könnte. Dabei sind vollumfänglich die Angabepflichten zu allen sechs Umweltzielen mit den technischen Bewertungskriterien der delegierten Verordnungen zur EU-Taxonomie-Verordnung zu erfüllen; die letzte dieser delegierten Verordnungen (mit lächerlichen 164 Seiten) ist im November 2023 im Amtsblatt der EU veröffentlicht worden.

 

ESRS 1 und 2: Umstellung auf European Sustainability Reporting Standards

Es geht noch weiter: Damit in der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung – die übrigens im Lagebericht zu verorten ist – die Informationen nicht irgendwie zusammengestellt, sondern mit zusätzlichen sinnvollen Kennzahlen sinnvoll aufgebaut gegliedert werden, ist die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) damit beauftragt worden, European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu entwickeln. Die ersten Standards – ESRS 1 zu allgemeinen Anforderungen und ESRS 2 zu allgemeinen Angaben – sind im Juli 2023 von der EU-Kommission angenommen, aber noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht worden, obwohl sie für die Berichte 2024 zu beachten sind. Zahlreiche weitere Standards liegen in Entwurfsfassungen vor. Konsequenz: Die für 2024 rund 500 berichtspflichtigen deutsche Unternehmen und Konzerne, die sich bislang überwiegend an Standards der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert haben, werden sich je nach Abweichung zu den ESRS 1 und 2 umstellen müssen.

 

Beispiel: Der "Gender Pay GAP"

Inhaltlich gehen die Angabepflichten weit über die bisher im Fokus stehenden Kennzahlen für Umsatzerlöse, Investitions- und Betriebsausgaben („Umsatz, CapEx, OpEx“) hinaus. Beispiel: Im Rahmen des ESRS S1-16 zu den Vergütungsparametern ist der gesellschaftspolitisch schon lange diskutierte „Gender Pay GAP“ anzugeben, eine Kennziffer, die über die Gehaltslücke der weiblichen zu den männlichen Beschäftigten anhand des durchschnittlichen Bruttostundenlohns (inkl. Überstundenzuschläge, Schichtzulagen, Boni, Provisionen usw.) informieren soll. Damit die Kennziffer überhaupt einen sinnvollen Aussagegehalt erhält und um zu verhindern, dass Unternehmen an den Pranger gestellt werden, dürfte es erforderlich sein, die Kennziffer nach Beschäftigtenkategorien – also nach abgegrenzten Tätigkeiten – in Segmenten und Ländern aufzugliedern.

Angesichts der Flut an zu erhebenden Daten werden viele Geschäftsführer „ihr“ Unternehmen ganz neu kennenlernen. Das mag – ganz ohne Ironie – tatsächlich ein positiver Effekt sein, wenn man ihn denn sucht. Im Übrigen hatte ich vor Jahren schon gemutmaßt: Wir berichten uns zu Tode.

Die CSRD ist noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden, auch ein Gesetzentwurf liegt bislang nicht vor.

 

Pillar 2

Der Bundestag hat im November 2023 dem Gesetzentwurf zur globalen Mindestbesteuerung zugestimmt, das uns mit dem Mindeststeuergesetz (MinStG) ein neues Steuergesetz mit vielen Auslegungsfragen beschert. Nachdem nun auch der Bundesrat am 15.12.2023 zugestimmt hat, kann das Gesetz pünktlich in 2024 in Kraft treten. Sodann unterliegen Konzerne mit mehr als 750 Mio. EUR Umsatzerlösen grundsätzlich der OECD-getriebenen Mindeststeuer. Die Bundesregierung erwartet in den Jahren 2026 bis 2028 Steuermehreinnahmen, die zwischen 420 Mio. EUR und 950 Mio. EUR liegen.

 

Größenklassen Kapitalgesellschaften (& Co.)

Zuletzt wurden die Größenklassen der Kapitalgesellschaften (& Co.) (§§ 267, 267a HGB) für die Rechnungslegungspflichten sowie für die größenabhängige Konzernabschlussbefreiung (§ 293 HGB) mit dem BilRUG 2015 geändert. Im September 2023 hat die EU-Kommission einen Vorschlag zur Anhebung der Schwellenwerte für die Bilanzsumme und die Umsatzerlöse gemacht. Für große Kapitalgesellschaften sollen die Bilanzsumme von 20 Mio. EUR auf 25 Mio. EUR und die Umsatzerlöse von 40 Mio. EUR auf 50 Mio. EUR angehoben werden. Angesichts der Inflationsentwicklung in den letzten beiden Jahren ist das überfällig, und ich rechne fest mit einer entsprechenden EU-Richtlinie noch in 2024, die dann schnell zu einer Änderung im HGB führen sollte. Das hätte dann für einige Unternehmen sicherlich Auswirkung auch auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung, weil sie dieser dann (nicht mehr) unterliegen würden.

 

Glückauf für 2024,

Ihr Carsten Theile

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    Prof. Dr. Carsten Theile

    Prof. Dr. Carsten Theile ist wissenschaftlicher Leiter der Lucanet.Academy und lehrt nach mehrjähriger Praxistätigkeit bei einem Kreditinstitut und einem Energieversorgungsunternehmen nationale und internationale Rechnungslegung an der Hochschule Bochum. Er ist Autor von über 230 Fachbeiträgen zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung sowie Mitherausgeber des „Theile/Dittmar, IFRS-Handbuch" (7. Auflage 2024). Bekannt ist er auch als Autor des Standardlehrbuchs „Meyer/Theile, Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht" (33. Auflage 2024).