Unternehmenswertsteigerung und Marktpositionierung als Gründe für ein Carve-out
Immer mehr Unternehmen denken darüber nach, Teilbereiche abzuspalten und zu verselbstständigen. Die Motive solcher sogenannter Carve-out-Transaktionen sind vielfältig. Zwei Aspekte finden sich jedoch überall:
- die Steigerung des Unternehmenswerts über die Fokussierung auf die Kernkompetenzen und
- die damit einhergehende bessere Positionierung am Markt.
Doch führen Carve-outs tatsächlich zu den erhofften Unternehmenswertsteigerungen? Und wie gelingt es Unternehmen, die Carve-outs durchführen wollen, die gesetzten Ziele bestmöglich zu erreichen? Kurzum: Was sind Faktoren einer erfolgreichen Carve-out-Transaktion? Diese Fragen adressiert das Whitepaper „Dissecting public carve-outs: What are the dynamics of a successful transaction“, welches von KPMG und The Edge im Jahr 2020 gemeinsam veröffentlicht wurde. Untersucht wurden 45 Carve-out-Transaktionen, die in den letzten Jahren an den Kapitalmärkten in den USA, der EU, Großbritannien, Australien, Japan und Indien stattgefunden haben. Im Ergebnis lassen sich einige zentrale Erfolgsfaktoren für die Durchführung von Carve-outs identifizieren.
Unsere Channel Managerin Luisa Richwien hat zu dem Thema Erfolgsfaktoren eines Carve-outs ein ausführliches Gespräch mit Ralf Pfennig, der Partner im Bereich Accounting & Process Advisory sowie Head of Deal & Capital Markets Services bei der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Köln ist, geführt.
Carve-outs: Komplexe Projekte mit positiven Effekten
Luisa Richwien: Carve-outs haben in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen. Auch für die Zeit nach der Corona-Krise rechnet man mit einer weiteren Carve-out-Welle. Dabei sind Carve-outs durchaus komplexe Projekte, die Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Zahlt sich der Aufwand letztendlich aus?
Ralf Pfennig: Ein Carve-out ist in jedem Fall ein komplexes Unterfangen. Ein Unternehmen, welches bislang in der Obhut der Mutter stand, wird in die Selbstständigkeit entlassen und muss darauf bestmöglich vorbereitet werden. Im Falle von Carve-Outs am Kapitalmarkt kommen außerdem komplexe kapitalmarktrechtliche bzw. prospektrechtliche Anforderungen hinzu, beispielsweise in Form von zusätzlichen Finanzinformationen, die erstellt und geprüft werden müssen. Eine vorausschauende Planung ist hierfür essenziell. Als Faustregel lässt sich sagen, dass zwischen der ersten Ankündigung einer geplanten Carve-out-Transaktion und der Börsennotierung des Carve-out-Unternehmens in etwa ein Jahr liegt. Dennoch zeigt unsere empirische Analyse, dass die meisten Carve-outs erfolgreich sind. Das ist an der Aktienkursentwicklung der Carve-out-Unternehmen erkennbar. Die Mehrheit der untersuchten Carve-out-Unternehmen übertrifft hier vergleichbare Indizes. Allerdings manifestiert sich der positive Effekt in der Regel nicht unmittelbar nach der Transaktion, sondern erst mit einem mittelfristigen Zeithorizont von einigen Jahren.
Spin-off und IPO als Formen eines Carve-outs
Luisa Richwien: Carve-out ist nicht gleich ein Carve-out. Gibt es bestimmte Ausgestaltungsformen, die sich als besonders zielführend erweisen?
Ralf Pfennig: Allgemein kann man zwischen Spin-offs und Initial Public Offerings(IPOs) unterscheiden.
- Bei einem Spin-off wird ein Teil eines Unternehmens ausgegliedert. Als Ausgleich für die Abspaltung erhalten die Anteilseigner des Mutterunternehmen Anteile am neu entstandenen Unternehmen in Form einer Sachdividende. Dadurch wird kein neues Kapital generiert, sondern das bestehende Kapital neu verteilt.
- Bei einem IPO hingegen kann das Carve-out-Unternehmen tatsächlich neues Kapital generieren, indem die Zulassung der Aktien mit einer Kapitalerhöhung (Primary Offering) kombiniert wird.
Auffällig ist, dass das Mutterunternehmen bei einem IPO in der Regel die Mehrheit der Anteile am Carve-out-Unternehmen behält, während bei einem Spin-off typischerweise nur eine Minderheitsbeteiligung des Mutterunternehmens bestehen bleibt. Die empirische Untersuchung zeigt, dass Carve-out-Transaktionen, bei denen das Mutterunternehmen die Mehrheitsbeteiligung am Carve-out-Unternehmen aufgibt, tendenziell erfolgreicher sind. Der Grund hierfür dürfte sein, dass das neu gegründete Unternehmen wirklich eigenständig agieren kann, sprich die volle Freiheit für individuelle Strategien hat.