Die Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung (Pillar 2) ist kurz vor Jahresende noch einen wichtigen Schritt vorangekommen. Der Bundesrat hat dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/2523 des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung und weiterer Begleitmaßnahmen am 15.12.2023 zugestimmt. Damit hat das Gesetz die letzte parlamentarische Hürde genommen. Es wurde am 27.12.2023 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat einen Tag später in Kraft. Deutschland erfüllt so die Vorgaben der EU-Richtlinie, die die Mitgliedstaaten zu einer Umsetzung bis zum 31.12.2023 verpflichtet.
Hintergrund und Wirkungsweise von Pillar 2
Seit der Vorstellung des Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Länder im Jahr 2015 hat die internationale Staatengemeinschaft zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewinnkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS) ergriffen. Der letzte wichtige Schritt bestand darin, den besonderen steuerlichen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft zu begegnen. Mitte des Jahres 2021 erfolgte eine Einigung auf ein sogenanntes Zwei-Säulen-Modell, wobei die globale Mindestbesteuerung die zweite Säule (Pillar 2) dieses Modells darstellt.
Die durch das Inclusive Framework on BEPS veröffentlichten Regelungen enthalten im Kern sogenannte GloBE-Maßnahmen (Global Anti-Base Erosion), die sicherstellen sollen, dass große multinationale Unternehmensgruppen in allen Ländern, in denen sie tätig sind, ein Mindestmaß an Steuern auf ihre jeweiligen Gewinne zahlen. Die GloBE-Regeln umfassen eine vorrangig anzuwendende Income Inclusion Rule (im deutschen Gesetz als „Primärergänzungssteuer“ bezeichnet), die ähnlich wie eine Hinzurechnungsbesteuerung wirkt, und eine nachgelagert anzuwendende Undertaxed Profits Rule („Sekundärergänzungssteuer“). Die Sicherstellung der Mindestbesteuerung erfolgt dabei durch die Erhebung einer Aufstockungssteuer (sogenannte Top-up Tax) auf Gewinne in Ländern, in denen der effektive Steuersatz unter dem Mindestsatz liegt. Der effektive Mindeststeuersatz ist auf 15 % festgelegt.
Viele Daten und nur wenig Zeit
Die Mindeststeuer findet Anwendung auf Unternehmensgruppen mit einem konsolidierten Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Die betroffenen Unternehmen müssen die Vorschriften zur Primärergänzungssteuer erstmals für Geschäftsjahre anwenden, die nach dem 30.12.2023 beginnen (also regelmäßig Geschäftsjahr 2024); die Sekundärergänzungssteuer greift erstmals ein Jahr später. Die Bestimmung des effektiven Steuersatzes pro Land stellt die Unternehmen dabei vor erhebliche Herausforderungen, da sowohl bei der Ermittlung der angepassten erfassten Steuern (adjusted covered taxes) als auch des Mindeststeuergewinns (GloBE income) zahlreiche spezifische Berechnungsregeln vorgesehen sind. Zur Befolgung dieser Regeln sind mehrere hundert Datenpunkte erforderlich, bei großen Unternehmensgruppen mit vielen Auslandsgesellschaften kann die Zahl der Datenpunkte deutlich vierstellig werden. Daten, die heute teilweise noch nicht erhoben werden – oder jedenfalls an unterschiedlichen Stellen in einer Unternehmensgruppe und in verschiedenen, häufig nicht vollständig integrierten IT-Systemen hinterlegt sind.
Ein Projekt zur Umsetzung von Pillar 2 in den Unternehmen bedeutet damit vor allem die Aufnahme, Definition und teilweise Neugestaltung von Prozessen zur Datenbeschaffung und Datenauswertung. Diese Prozesse erfordern gerade in komplexeren oder dezentral aufgestellten Unternehmensgruppen Zeit. Um diese Zeit zu gewinnen und trotzdem die gesetzlichen Anforderungen schon ab dem Jahr 2024 erfüllen zu können, wurde aus der Praxis bereits frühzeitig die Notwendigkeit von Vereinfachungsregelungen – jedenfalls in der Übergangsphase der Einführung – artikuliert. Diesem Wunsch haben die OECD, die Europäische Union und der deutsche Gesetzgeber zumindest teilweise entsprochen.
Zeitliche befristete Übergangsregelungen
In einer Übergangsphase von drei Jahren können Unternehmen den Steuererhöhungsbetrag für ein Land mit null ansetzen, wenn für das jeweilige Land einer von drei Tests erfüllt ist. Es handelt sich hierbei um
- den vereinfachten Wesentlichkeitstest
- den vereinfachten Effektivsteuersatztest sowie
- den Substanztest
Für diese drei Tests können die Unternehmen Daten aus dem sog. länderbezogenen Bericht (Country-by-Country Report) verwenden, den sie jährlich aufstellen und an die zuständige Steuerbehörde übermitteln. Die Übergangsregelungen werden daher auch als CbCR-Safe-Harbour bezeichnet.
Der vereinfachte Wesentlichkeitstest ist erfüllt, wenn der CbCR für das jeweilige Land weniger als 10 Millionen Euro Umsatzerlöse und weniger als 1 Million Euro Gewinn oder Verlust vor Steuern aufweist.
Der vereinfachte Effektivsteuersatztest ist erfüllt, wenn der vereinfacht erfasste Steueraufwand (Ertragsteueraufwand gemäß Konzernabschluss) im Verhältnis zum Gewinn oder Verlust vor Steuern (gemäß CbCR) mindestens dem Übergangssteuersatz entspricht. Dieser beträgt 15 Prozent in den Jahren 2023 und 2024, 16 Prozent im Jahr 2025 und 17 Prozent im Jahr 2026.
Der Substanztest ist erfüllt, wenn der Gewinn oder Verlust vor Steuern (gemäß CbCR) gleich oder geringer als der substanzbasierte Freibetrag ist. Der substanzbasierte Freibetrag ist die Summe aus 5 % der Lohnkosten und 5 % der materiellen Vermögenswerte.
Dauerhafte Vereinfachungen
Neben diesen zeitlich befristeten Erleichterungen sehen sowohl die OECD-Vorgaben als auch das deutsche Mindeststeuergesetz dauerhafte Vereinfachungen vor. Diese weisen systematisch wesentliche Parallelen zu den befristeten Safe Harbours auf, stellen allerdings statt auf CbCR-Daten auf vereinfacht ermittelte GloBE-Berechnungen ab. Diese vereinfachten Berechnungsvorgaben müssen vom Inclusive Framework noch in gesonderten administrativen Leitlinien veröffentlicht werden und werden wohl über eine Rechtsverordnung zum Bestandteil der nationalen Umsetzung. Für unwesentliche Geschäftseinheiten sieht § 80 MinStG eine solche Vereinfachung auf Antrag bereits vor. Unwesentlich ist eine Geschäftseinheit immer dann, wenn sie aufgrund von Wesentlichkeitserwägungen nicht in den Konzernabschluss einbezogen wird.
Erhöhte Bedeutung des Country-by-Country Reports
Durch die Einführung der Vereinfachungs- und Übergangsregelungen wird der Country-by-Country Report massiv aufgewertet. Bislang handelt es sich lediglich um ein steuerliches Berichtsformat, das an die Steuerbehörden der betreffenden Länder verteilt wird und diesen als Ausgangspunkt für eine Risikoeinschätzung bei der Prüfung von Verrechnungspreisen und anderen steuerlichen Aspekten einer Unternehmensgruppe dient. Durch die Umsetzung von Pillar 2 sind mit den CbCR-Daten unmittelbar materielle Steuerfolgen verknüpft, insbesondere die Frage, ob für ein Land der Steuererhöhungsbetrag vereinfacht auf null gesetzt werden darf. Damit ist auch zu erwarten, dass die Grundlage der Datenermittlung für den CbCR in zukünftigen Betriebsprüfungen in den Fokus rücken wird.
Hinzu kommt ab dem Geschäftsjahr 2025 innerhalb der EU eine Veröffentlichungspflicht für den Ertragsteuerinformationsbericht, der ebenfalls wesentliche Daten aus dem CbCR wiedergibt und daher auch als „Public Country-by-Country Report“ bezeichnet wird.
Dies alles sollte die Unternehmen dazu veranlasst, ihre CbCR-Prozesse auf den Prüfstand zu stellen und ggf. anzupassen. Hierzu bedarf es leistungsfähiger, technisch integrierter Lösungen und einer entsprechenden Dokumentation, um eine prüfungsfeste Datengrundlage sicherzustellen und die Berichte mit einem möglichst hohen Automatisierungsgrad erstellen zu können.