Public Country-by-Country-Reporting – bürokratiearmer Umkehrschluss von „Tue Gutes und sprich darüber“!?

Veröffentlicht 11. Sept. 2024  | 3 Min. Lesezeit
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    Younes Melhem

In den letzten Jahren wurden die Berichtspflichten von bestimmten Unternehmen stetig erweitert. Sei es durch die Zahlungsberichte i.S.d. § 341q ff HGB, den Entgelttransparenzbericht i.S.d. § 21 EntgTranspG, die Vollständigkeitserklärung nach § 11 VerpackG, dem Vergütungsbericht nach § 162 AktG oder dem Sorgfaltspflichtbericht i.S.d. § 10 Abs. 2 LkSG. Für Geschäftsjahre nach dem 21.06.2024 müssen bestimmte Unternehmen nun zukünftig auch einen sogenannte Ertragsteuer­informations­bericht erstellen.

 

Ertragsteuer­informations­bericht: Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung

Die EU hat bereits 2021 beschlossen, das Public Country-by-Country Reporting (pCbCR) einzuführen (pCbCR-Richtlinie). Diese öffentliche länderbezogene Berichterstattung ist ein wichtiger Teil des globalen Bemühens zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Ziel ist es, bestimmte umsatzstarke multinationalen Unternehmen zu mehr Steuertransparenz zu verpflichten. Diese müssen detaillierte Angaben zu Umsatz, Gewinn, Steuern und anderen finanziellen Informationen in einem öffentlich zugänglichen Bericht über ihre Geschäftsaktivitäten in jedem Land machen.

Durch die Offenlegungspflicht solle „eine informierte öffentliche Debatte darüber ermöglicht werden, ob die betroffenen multinationalen Unternehmen und Konzerne ihren Beitrag zum Gemeinwohl auch dort leisten, wo sie tätig sind“. Die im Deutschen Raum unter dem Begriff „Ertragsteuer­informationsbericht“ bzw. EU-weit unter dem Begriff „pCbCR“ zu fassende Pflicht ist in allen EU-Staaten umzusetzen. Hier wird die Umsetzung am Beispiel Deutschlands dargestellt. Die Berichtspflicht bzw. der zeitliche Anwendungsbereich weicht ggf. in einigen Mitgliedstaaten ab. So hat z. B. Rumänien die Berichtspflicht bereits früher umgesetzt.

Die Umsetzung ins deutsche Recht erfolgte im Juni 2023. Die neue Berichtspflicht wurde in einem neuen Unterabschnitt im HGB wie folgt implementiert:

  • Persönlicher Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (§§ 342, 342a HGB), 
  • Pflichten zur Erstellung (§§ 342b bis 342f HGB) und zur Offenlegung (§ 342m und § 342n HGB), 
  • Vorgaben zu Inhalt und Form (§§ 342g bis l HGB) und 
  • Sanktionsvorschriften (§§ 342o und 342p HGB). 

 

Damit wurden die bereits bestehenden Mitteilungspflichten gegenüber dem Fiskus (Non-Public CbCR) gem. § 138a AO, nun mit der neuen Berichtspflicht gegenüber der Öffentlichkeit ausgeweitet. Das Justizministerium hatte eine bürokratiearme Umsetzung im Sinn, da schließlich auf die bestehende Mitteilungspflicht gem. § 138a AO aufgebaut werden könne und nach Schätzung nur ca. 600 Unternehmen in Deutschland davon betroffen wären. Die Regierung geht davon aus, dass durch die Verpflichtung zur öffentlichen Steuertransparenz eine Selbstregulierung der Unternehmen erfolge. Es wird unterstellt, dass Unternehmen sich aus Steueroasen zurückziehen, wenn über die Aktivitäten in solchen berichtet werden müsse. Frei nach dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“, erhofft sich die Regierung anscheinend nun durch den Umkehrschluss dieses Sprichwortes eine (steuer-)moralische Rückbesinnung der betroffenen Unternehmen. Eine Überprüfung der neuen Berichtspflicht und ggf. eine Ausweitung des Anwendungsbereichs bzw. der inhaltlichen Angaben des Berichts soll bis Juni 2027 erfolgen.

 

Wen betrifft das Country-by-Country-Reporting?

Grundsätzlich sind folgende konsolidierte Unternehmen (Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personen­handels­gesellschaften) zur Erstellung eines Berichts verpflichtet:

  • Im Inland ansässige, multinationale, konzernverbundene Unternehmen bzw. oberste Mutterunternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als jeweils 750 Mio. € in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren.
  • Inländische mittelgroße oder große Tochterunternehmen bzw. Zweigniederlassungen von in Drittstaaten (d. h. außerhalb des EWR, wie z. B. UK) ansässigen konzernverbundenen bzw. obersten Mutterunternehmen, mit vergleichbaren Umsatzerlösen. Diese sollen sich den Bericht von der obersten Muttergesellschaft beschaffen und lokal veröffentlichen. Ist dies nicht möglich, muss das Tochterunternehmen bzw. die Zweigniederlassung den Bericht selbst erstellen.

 

CRR-Kreditinstitute und Große Wertpapierinstitute sind von der Pflicht des Country-by-Country-Reportings ausgenommen, wenn sie nach den einschlägigen aufsichtsrechtlichen Vorgaben einen länderbezogenen Bericht veröffentlichen.

 

Was ist Inhalt des Berichts?

Ab wann und wie ist zu berichten?

Das Country-by-Country-Reporting ist auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 21.06.2024 beginnen. Bei kalendergleichem Geschäftsjahr, ist daher der erste Bericht im Jahr 2026 für das Geschäftsjahr 2025 offenzulegen.

Der Bericht ist als ein maschinenlesbarer Datensatz – wie bereits der CbCR  – zu erstellen. Die Offenlegungsfrist beträgt ein Jahr ab Ende des Berichtszeitraums und der Bericht ist auf der Internetseite des Unternehmensregisters kostenfrei zugänglich zu machen. Darüber hinaus ist der Bericht für fünf Jahre kostenfrei auf der Unternehmensinternetseite zu veröffentlichen oder dort auf den kostenfreien Zugang im Unternehmensregister hinzuweisen. Bei sensiblen bzw. vertraulichen Informationen kann ein begründeter Aufschub der Offenlegung um bis zu fünf Jahre erfolgen.

 

Weitere Änderungen

Abschlussprüfer haben zukünftig zu prüfen, ob eine Pflicht zur Veröffentlichung besteht und ob die Verpflichtung auch erfüllt wurde. Es erfolgt dabei keine inhaltliche Prüfung des Berichts, der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers hat jedoch einen Verweis über die Prüfung zu enthalten. Durch Änderungen im Aktiengesetz und im SE-Ausführungsgesetz soll der Bericht zudem künftig durch den Aufsichtsrat bzw. das Aufsichts- oder Verwaltungsorgan geprüft werden.

Im Zuge der gesetzlichen Umsetzung wurden weitere punktuelle Änderungen im HGB vorgenommen, so z. B. die Offenlegungspflicht nach § 325a HGB. Diese wurde auf Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat erweitert . Des Weiteren wurde die Definition verbundener Unternehmen nach § 271 Abs. 2 HGB weiter gefasst und die Bußgeld- und Ordnungsgeldvorschriften punktuell angepasst.

 

Konkretisierung der Berichtspflichten

Am 02.08.2024 hat die Europäische Kommission einen Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur länder­bezogenen Ertragsteuer­informations­berichterstattung veröffentlicht. Der Entwurf konkretisiert die Form und das Format der Berichterstattung. Dabei sollen die Angaben in einem Formblatt tabellarisch angeordnet berichtet werden und der Bericht soll im XHTML Format erstellt und maschinenlesbar ausgezeichnet werden. Die Konkretisierung soll erst für Geschaftsjahre greifen, die ab dem 01.01.2025 beginnen.

 

Fazit

Durch die neue Berichtspflicht und der damit verbundenen neuen Normen im HGB wurde ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand geschaffen, der sich auf der Nutzenseite m.E. nicht auswirken wird. Von einer bürokratiearmen Umsetzung kann daher nicht die Rede sein.  Weder das Vertrauen der Öffentlichkeit in das nationale Steuersystem wird damit gestärkt, noch wird der interessierte mündige Bürger mit den veröffentlichen Informationen so viel anfangen können. Vielmehr kann es eher zu Fehlinterpretationen und damit verbundenen unsachgerechten öffentlichen Diskussionen kommen. Eine Vermeidung wäre ggf. durch ergänzende Erläuterungen im Bericht möglich, führt dann aber wieder zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Vergleicht man diese neue Berichtspflicht mit bereits bestehenden Berichtspflichten, so z. B. die länderspezifischen Berichte von Banken, kann keine Erhöhung der effektiven Steuersätze und damit verbundene Steuermehreinnahmen festgestellt werden. Hier bleibt wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens. Mit der Realität hat dies nicht viel zu tun. Eine Berichtspflicht um ihrer selbst willen verursacht mehr Kosten, als dass ein Nutzen für das Allgemeinwohl geschaffen wird. Es wird der Eindruck erweckt, dass weniger der tatsächliche Nutzen im Fokus steht, sondern eher die politische Rechtsfertigung vermeintlich etwas aktiv gegen Steuervermeidung zu tun. Frei nach dem Motto: „Tue Gutes und sprich darüber“!

 

Praxishinweis: Durch ein Wahlrecht (§ 342h Abs. 4 HGB) wird es deutschen (Konzern-)Unternehmen ermöglicht, den Bericht aus dem bereits vorhandenen XML-Datensatz des CbCR gem. § 138a AO abzuleiten.

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    Younes Melhem

    Younes Melhem ist seit mehreren Jahren als Steuerberater auf dem Gebiet der Umstrukturierung/ Reorganisationen im Rahmen von M&A-Projekten tätig. Er ist Aufsichtsratsmitglied bei einer Aktiengesellschaft in Niedersachsen, Dozent beim Lehrgangswerk Haas und Autor von Veröffentlichungen, insbesondere zu Umwandlungsthemen.