Welche Änderungen schlägt die EU-Kommission hinsichtlich der Berichtspflichten über die Wertschöpfungskette vor?
Die CSRD in ihrer aktuellen Fassung begrenzt die Berichtspflichten der Unternehmen über ihre Wertschöpfungskette auf Informationen, die in einem Berichtsstandard für kapitalmarktorientierte KMU – dem sog. ESRS for Listed Small- and Medium-Sized Enterprises (LSME) – vorgeschrieben werden. Dieser LSME verliert jedoch mit den oben dargestellten Vorschlägen zur Reduzierung des Anwendungsbereichs der CSRD seine Grundlage. Entsprechend wird EFRAG ihre Arbeiten an diesem LSME aller Voraussicht nach ersatzlos einstellen.
Vor diesem Hintergrund schlägt die EU-Kommission nun einen neuen Ansatz für die Begrenzung der Berichtspflichten über die Wertschöpfungskette vor. Dies ist notwendig, um u. a. sog. „Trickle-Down-Effekte“ zu vermeiden, die u. a. durch umfangreiche, sehr unterschiedliche Datenabfragen großer berichtspflichtiger Unternehmen bei den nicht berichtspflichtigen Unternehmen in ihrer Wertschöpfungskette entstehen. Die EU-Kommission möchte diesen sog. „Value Chain Cap“ nun an einen noch zu entwickelnden Berichtsstandard knüpfen, der für eine freiwillige Berichterstattung der nicht (mehr) berichtspflichtigen Unternehmen genutzt werden kann. Dieser Berichtsstandard soll auf dem bereits von EFRAG entwickelten Voluntary Sustainability Reporting Standard for Non-Listed SMEs (VSME) aufbauen. Es ist zu jedoch erwarten, dass der VSME mit Blick auf sein künftiges, deutlich erweitertes Anwendungsfeld noch größeren Änderungen unterzogen werden wird. Genauere Informationen dazu, wie ein solcher geplanter freiwillig anwendbarer Berichtsstandard aussehen könnte, enthalten die Omnibus 1-Vorschläge jedoch nicht.
Kritisch zu beurteilen ist dabei, dass die Value Chain Cap v. a. durch die Möglichkeit zur Abfrage branchentypischer Informationen – im Originalwortlaut „information that is commonly shared between undertakings in the sector“ – durchbrochen werden soll. Insbesondere die fehlende Konkretisierung der abfragbaren Brancheninformationen eröffnet nicht unerhebliche Spielräume. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob nicht ggf. sogar eine Normierung branchenbezogener Nachhaltigkeitsinformationen (in Ermangelung europäischer Berichtsvorgaben) wünschenswert oder gar erforderlich wäre. Dem wäre jedoch entgegenzuhalten, dass mit den GRI oder den SASB Standard bereits Leitlinien hierfür vorliegen.
Welche Vereinfachungen sind in Bezug auf die Taxonomie-Berichterstattung geplant?
Abweichend von den Vorschlägen zur Anpassung des Anwendungsbereichs der CSRD-Berichterstattung schlägt die EU-Kommission einen geänderten Anwendungsbereich für die Taxonomie-Berichterstattung vor. Der aktuelle Anwendungsbereich der Taxonomie-Verordnung ist an Art. 19a, 29a der Bilanzrichtlinie gekoppelt. Interessant ist hierbei der Zeitplan für die Umsetzung dieser Vorschläge: sie sollen bereits für ab 01.01.2026 zu veröffentlichende Berichte, de facto also für Geschäftsjahre ab dem 01.01.2025 anzuwenden sein.
Mit den Omnibus 1-Vorschlägen sollen künftig nur noch bilanzrechtlich große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten und Nettoumsätzen im Berichtsjahr von mehr als 450 Mio. Euro in ihre Nachhaltigkeitsberichte auch Taxonomieangaben aufnehmen müssen. Wird der Schwellenwert für die Umsatzerlöse unterschritten, sollen bestimmte Taxonomieangaben nur dann verpflichtend sein, wenn das Unternehmen seine Wirtschaftstätigkeiten als (teilweise) taxonomiekonform ausweist. Diese in der Folge optionale Berichterstattung über eine (teilweise) Taxonomiekonformität von Wirtschaftstätigkeiten umfasst nur Angaben zur Umsatz- und CapEx-Kennzahl, OpEx-Angaben wären dagegen freiwilliger Natur.
Darüber hinaus sehen die Omnibus 1-Vorschläge eine Wesentlichkeitsschwelle für die Prüfung der Taxonomiekonformität von Wirtschaftstätigkeiten bei Nicht-Finanzunternehmen vor (auf Ausführungen mit Blick auf Finanzunternehmen wird im Folgenden verzichtet). Ziel dieser Anpassung ist es, v. a. diversifizierte Unternehmen mit einer großen Zahl an verschiedenen Wirtschaftstätigkeiten zu entlasten. Nach den Omnibus 1-Vorschlägen kann auf eine Konformitätsprüfung bei Wirtschaftstätigkeiten verzichtet werden, wenn:
- ihre kumulierten Umsatzerlöse < 10 % der Gesamtumsatzerlöse betragen oder
- ihr kumulierter CapEx < 10% des gesamten CapEx beträgt oder
- ihr kumuliertes OpEx < 10% des gesamten OpEx beträgt.
Sollte für nach diesen Vorgaben unwesentliche Wirtschaftstätigkeiten auf eine Konformitätsprüfung verzichtet werden, sind deren Umsatzerlöse, CapEx und OpEx separat als unwesentlich anzugeben. Welchen Mindestanforderungen diese Angabe unterliegt, lassen die vorliegenden Entwürfe offen. Als abschließenden Baustein dieses Wesentlichkeitsgrundsatzes sollen außerdem Angaben zum OpEx von berichtspflichtigen Unternehmen unterlassen werden können, wenn deren kumulierte Umsatzerlöse weniger als 25 % der Gesamtumsatzerlöse betragen. Es liegt auf der Hand, dass im Rahmen des weiteren Legislativprozesses zusätzliche Konkretisierungen erforderlich sein werden, um die geplanten Regelungen für die Anwendungspraxis sinnvoll nutzbar zu machen.
Ergänzend hierzu sollen bestimmte technische Bewertungskriterien zur Beurteilung des „Do No Significant Harm (DNSH)“-Kriteriums geändert werden. Dieses Kriterium stellt einen Bezug zwischen den unterschiedlichen Umweltzielen her. Bei einer komplett autarken Betrachtung der sechs Umweltziele könnte eine Wirtschaftstätigkeit schon als taxonomiekonform gelten, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu lediglich einem der Umweltziele leistet, gleichzeitig jedoch eines oder mehrere der anderen Umweltziele negativ beeinträchtigt. Mit den Omnibus 1-Vorschlägen sollen insbesondere die DNSH-Kriterien für das Umweltziel „Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung“ mit Blick auf Verwendung und Vorhandensein von Chemikalien vereinfacht und Ausnahmeregelungen klargestellt werden.
Schließlich plant die EU-Kommission eine Vereinfachung der Meldebögen für die Taxonomiekennzahlen, wodurch die zu meldenden Datenpunkte bei taxonomiekonformen Wirtschaftstätigkeiten von Nicht-Finanzunternehmen um ca. 66 % reduziert werden sollen.
Wie soll eine Vereinfachung der ESRS erreicht werden?
Ein wichtiger Vorschlag zur Vereinfachung der Berichtsstandards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die komplette Streichung der eigentlich in der CSRD vorgesehenen sektorspezifischen ESRS. Dadurch soll vermieden werden, dass mit entsprechenden Sektorstandards eine Vielzahl an neuen Datenpunkten geschaffen werden, die die Unternehmen in den zugehörigen Sektoren berichten müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass EFRAG ihre Arbeiten an diesen Sektorstandards zeitnah einstellen wird.
Aber auch die Regelungen des Set 1 der ESRS sollen überarbeitet werden. Hierbei sollen u. a. qualitative Berichtsanforderungen reduziert, bestimmte Pflichtangaben in freiwillige Angaben umgewandelt, strukturelle Defizite in den ESRS behoben und unklare Anforderungen präzisiert werden. Des Weiteren sollen die Interoperabilität mit internationalen Standards und die Konsistenz mit anderen EU-Normen verbessert werden.
Die skizzierten Überarbeitungen der ESRS soll EFRAG übernehmen, die das Mandat hierfür Ende Februar 2025 erhalten hat. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll EFRAG ihre Überarbeitungen bis 31.10.2025 abgeschlossen haben.
Was bedeutet dies für die Wesentlichkeitsanalyse?
Die EU-Kommission möchte im Rahmen der Omnibus 1-Vorschläge am Konzept der doppelten Wesentlichkeitsanalyse festhalten. Allerdings sollen die Vorgaben zur Durchführung der Wesentlichkeitsanalyse klarer formuliert werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass tatsächlich nur wesentliche Informationen veröffentlicht werden. Auch soll damit das Risiko verringert werden, dass Unternehmen aufgrund unklarer Prüferanforderungen Angaben machen, die eigentlich unwesentlich sind. Fraglich bleibt indes, ob Wechselwirkungen mit den Vorschlägen zur Änderung der CSDDD – z. B. zur Anpassung der Definition des Stakeholderbegriffs – einen Einfluss auf die praktische Anwendung der Wesentlichkeitsanalyse haben könnten.
Was ändert sich mit Blick auf die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte?
Anders als in der CSRD noch vorgesehen, soll nach den Omnibus 1-Vorschlägen die Prüfung von Nachhaltigkeitsinformationen dauerhaft nur mit begrenzter Sicherheit („limited assurance“) erfolgen. Ein künftiges Umschwenken auf eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit soll dagegen nicht mehr erfolgen. Zudem soll die eigentlich bis Oktober 2026 vorgesehene Erarbeitung von Standards für die Prüfung mit begrenzter Sicherheit zugunsten einer bis 2026 geplanten Entwicklung von „Targeted Assurance Guidelines“ abgelöst werden. Es stellt sich dabei die Frage, ob die nunmehr deutlich weniger ambitionierten Vorgaben zum Prüfungsniveau auf das Ziel der EU-Kommission einzahlen, Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung die gleiche Bedeutung zukommen zu lassen.
Wie geht es nun weiter?
Mit ihren Omnibus 1-Vorschlägen leitet die EU-Kommission den Legislativprozess mit EU-Parlament und Ministerrat ein. Der „stop the clock“-Vorschlag wurde zwischenzeitlich vom Europäischen Parlament angenommen. Die Diskussion um den „content“-Vorschlag wird etwas länger dauern, optimalerweise aber bis Ende dieses Jahres abgeschlossen werden.
Neben den beschriebenen Vorschlägen hat die EU-Kommission zudem die sog. Omnibus 2-Vorschläge veröffentlicht, die Erleichterungen für Investitionen schaffen sollen. Ergänzt werden diese Initiativen der EU-Kommission durch den sog. Clean Industrial Deal, der konkrete Dekarbonisierungsmaßnahmen für die europäische Wirtschaft umreißt und das Wachstum in der EU fördern soll. Schließlich kündigt die EU-Kommission für Q2/2025 ihre Omnibus 3-Vorschläge an, mit denen u. a. die neue Unternehmenskategorie „small mid-caps“ eingeführt werden soll. Was genau die EU-Kommission mit dieser neuen Unternehmenskategorie bezweckt ist jedoch noch weitgehend unklar.