Impairment-Test nach IFRS und HGB: Eine Übersicht

Veröffentlicht 20. Okt. 2023  | 4 Min. Lesezeit
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    Prof. Dr. Carsten Theile

Die auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte müssen werthaltig sein. Das fordern Finanzanalysten aus gutem Grund: Die Aussagefähigkeit und damit der Analyse-Nutzwert eines Abschlusses – gleich, ob Jahres- oder Konzernabschluss – bricht in sich zusammen, wenn diese Forderung nicht erfüllt ist. Werthaltigkeit meint im Kern, dass die Vermögenswerte in mindestens ihrer ausgewiesenen Höhe direkt oder indirekt zu Geld gemacht werden können.

In unterschiedlicher Sprachregelung sind die Bilanzierungsregeln des HGB und der IFRS diesem Ziel verpflichtet. Im HGB-Bereich sollen das strenge und gemilderte Niederstwertprinzip und in der IFRS-Rechnungslegung der Impairment-Test eine Überbewertung der Vermögenswerte und damit „Luft“ in der Bilanz verhindern.

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Wie wird der Impairment-Test durchgeführt?

Der Anwendungsbereich des Impairment-Tests nach IFRS erstreckt sich im Wesentlichen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögenwerte; innerhalb derer ist im IFRS-Konzernabschluss der aus Unternehmenszusammenschlüssen (Unternehmenserwerbe) entstandene Goodwill der zentrale Gegenstand des Werthaltigkeitstests. Grund: Der Goodwill im IFRS-Konzernabschluss wird nicht planmäßig abgeschrieben – anders als der Geschäfts- oder Firmenwert im HGB-Konzernabschluss. Folglich sehen die IFRS-Regelungen einen ausgefeilten, jährlich durchzuführenden Test auf Wertminderung bzw. Werthaltigkeit des Goodwills vor (sog. „Impairment-only-approach“).

Weil der Goodwill (nur) aus erwarteten Synergieeffekten, Standortvorteilen, Belegschaftsqualität u. ä. besteht, die sämtlich nicht einzeltauschfähig sind, kann für den Goodwill nicht auf Markpreise abgestellt werden. Folglich ist ein Messproblem für den Impairment-Test des Goodwills zu lösen. Dazu verlangen die IFRS, den Goodwill nach Maßgabe erwarteter Synergien auf sog. zahlungsmittelgenerierende Einheiten („cash generating units“) des Konzerns zu verteilen. Das sind solche Geschäftsbereiche oder Segmente, die relativ unabhängig von anderen Konzerneinheiten Cashflows erzielen können. Ist diese Verteilung erfolgt, hat das Management grundsätzlich zwei Werte zu schätzen:

(1) den objektiven Erlös, der bei unmittelbarer Veräußerung einer cash generating unit zu erzielen wäre (= fair value abzüglich Veräußerungskosten) und

(2) den Barwert erwarteter jährlicher netto-Cash-Zuflüsse aus der Nutzung dieser zahlungsmittelgenerierenden Einheit bis zum Planungshorizont; zu diskontieren ist mit einem risikoadjustierten, laufzeitadäquaten Marktzins (= Nutzungswert).

Der höhere der beiden Werte determiniert den sog. „erzielbaren Betrag“ der cash generating unit, der zum Bewertungsstichtag mit ihrem jeweiligen Buchwert gegenübergestellt wird. Regelmäßig determiniert der Nutzungswert den erzielbaren Betrag. Ist der Nutzungswert größer als der aktuelle Buchwert, liegt Werthaltigkeit vor, der Impairment-Test ist positiv bestanden, und es ist für den Zweck der Bilanzierung und Bewertung nichts zu veranlassen. Ist umgekehrt aber der Buchwert größer als der Nutzungswert, so muss eine außerplanmäßige Abschreibung bis zu diesem Nutzungswert vorgenommen werden. Die Abschreibung beginnt mit dem Goodwill. Reicht sie nicht aus, werden auch die Sachanlagen und anderen immateriellen Vermögenswerte der zahlungsmittelgenerierenden Einheit außerplanmäßig abgeschrieben. Bei vorzunehmenden Wertminderungen kommt es dementsprechend zu Aufwandsüberraschungen in der Gewinn- und Verlustrechnung, die das Jahresergebnis des Konzerns empfindlich nach unten korrigieren können.

Impairment Grafik 2

Triggering events und ihre Auswirkungen auf IFRS-Konzernabschlüsse

Vorstehende Überlegungen sind aber nicht nur jährlich, sondern bei Vorliegen sog. triggering events auch unterjährig relevant, weil die Kapitalmarktkonzerne, die IFRS-Konzernabschlüsse aufstellen müssen, auch der Quartals- und Halbjahres­finanzbericht­erstattung unterliegen. Zu solchen triggering events zählen etwa Zinssatzsteigerungen oder Veränderungen im ökonomischen oder technologischen Umfeld. Die Zinssatzsteigerungen sind gesamtwirtschaftlich relevant, und ob die vielfältigen Krisen der letzten Jahre (Corona, Ukraine-Krieg, Klima) sowie technologische Veränderungen (z. B. das Aus für den Verbrennermotor) ein triggering event für die Unternehmen darstellen, dürfte nicht zuletzt von der Branche abhängen. Auffällig ist indes: Selbst in dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld der vergangenen drei Jahre ist es – zumindest bei deutschen Unternehmen – nicht zu flächendeckend nennenswerten außerplanmäßigen Abschreibungen des Goodwills gekommen.

 

Kritik am Impairment-only-Approach: Vergleich zwischen IFRS und HGB

Nicht nur deshalb steht schon seit Jahren der Impairment-only-approach im IFRS-Konzernabschluss in der Kritik. Neben den nicht zu leugnenden Ermessensspielräumen bei der Ermittlung des Nutzungswerts ist der Hauptkritikpunkt, dass der erworbene Goodwill sich eben doch insoweit abnutzt, als die erwarteten Synergien und ähnliche Gründe für seine Entstehung sich im Zeitablauf realisieren. Weil aber keine planmäßige Abschreibung, sondern nur der Impairment-Test erfolgt, wird der ursprünglich erworbene Goodwill durch einen selbstgeschaffenen ersetzt, für den im Übrigen aber ansonsten ein Bilanzierungsverbot besteht. Das IASB hat sich der Diskussion gestellt, will aber am Impairment-only-approach festhalten und insoweit keine planmäßige Abschreibung des Goodwills einführen.

Im HGB-Konzernabschluss ist für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, denen auch der Geschäfts- oder Firmenwert zugerechnet wird, zum Abschlussstichtag zu prüfen, ob eine dauerhafte Wertminderung vorliegt; bejahendenfalls muss außerplanmäßig abgeschrieben werden. Aufgrund der planmäßigen Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts hat diese Frage jedoch eine weit geringere materielle und praktische Bedeutung als im IFRS-Konzernabschluss.

 

Bedeutung des Impairment-Tests für Unternehmen

Relevant ist sie aber im HGB-Jahresabschluss bei der Bewertung von Beteiligungen an anderen Unternehmen, etwa die als „Anteile an verbundenen Unternehmen“ ausgewiesenen Anteile an Tochterunternehmen im Jahresabschluss des Mutterunternehmens. Diese Anteile unterliegen keiner planmäßigen Abschreibung. Stehen die Tochterunternehmen wirtschaftlich unter Druck, kommt das im Konzernabschluss – zusätzlich zur planmäßigen (HGB) und ggf. außerplanmäßigen Abschreibung (HGB, IFRS) des Geschäfts- und Firmenwerts bzw. Goodwills – zum Ausdruck. Im Jahresabschluss des Mutterunternehmens muss für die Anteile dann eine Ertragswertberechnung durchgeführt werden, die Ähnlichkeit hat zum Impairment-Test nach IFRS. Es kann hier durchaus zu außerplanmäßigen Abschreibungen kommen. Dabei ist ein Gleichlauf zwischen Jahresabschluss und IFRS-Konzernabschluss im Hinblick auf außerplanmäßige Abschreibung des Beteiligungsbuchwerts und außerplanmäßige Abschreibung des Goodwills nicht zwingend: Der Goodwill wird ja im IFRS-Konzernabschluss den zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zugeordnet, während er im Jahresabschluss gewissermaßen im Beteiligungsbuchwert inkorporiert bleibt und die Bildung von quasi-zahlungsmittelgenerierenden Einheiten zur Bewertung von Anteilen an Tochterunternehmen im Jahresabschluss nur eingeschränkt möglich ist. Damit kann beispielsweise die Situation eintreten, dass im IFRS-Konzernabschluss keine Goodwill-Abschreibung vorgenommen wird, während im Jahresabschluss der Beteiligungsbuchwert des Tochterunternehmens außerplanmäßig abgeschrieben wird. Finanzanalysten tun also gut daran, nicht nur den Konzernabschluss, sondern auch den Jahresabschluss im Blick zu haben.

 

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    Prof. Dr. Carsten Theile

    Prof. Dr. Carsten Theile ist wissenschaftlicher Leiter der Lucanet.Academy und lehrt nach mehrjähriger Praxistätigkeit bei einem Kreditinstitut und einem Energieversorgungsunternehmen nationale und internationale Rechnungslegung an der Hochschule Bochum. Er ist Autor von über 230 Fachbeiträgen zur Rechnungslegung und Unternehmensbesteuerung sowie Mitherausgeber des „Theile/Dittmar, IFRS-Handbuch" (7. Auflage 2024). Bekannt ist er auch als Autor des Standardlehrbuchs „Meyer/Theile, Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht" (33. Auflage 2024).