Kapitalkonsolidierung – eigentlich ganz einfach …

Veröffentlicht 09. Aug. 2023  | 5 Min. Lesezeit
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    Prof. Dr. Karin Breidenbach

Die Grundidee des Konzernabschlusses ist bestechend logisch: werden mehrere Unternehmen aufgrund wirtschaftlicher Verflechtungen faktisch von einer Leitung geführt, kann die wirtschaftliche Lage dieser wirtschaftlichen Einheit nur durch einen gemeinsamen Abschluss richtig dargestellt werden. Dieser Abschluss muss so aufgestellt werden, als wären die Konzernunternehmen nicht einzeln rechtlich selbständig, sondern lediglich Betriebsstätten eines einzigen rechtlich selbständigen Unternehmens. Die Fiktion der rechtlichen Einheit des Konzerns ist aus meiner Sicht der wichtigste Grundsatz bei der Erstellung des Konzernabschlusses und führt in den meisten Fällen zu der richtigen Lösung eines Konsolidierungsproblems. Im Detail können sich jedoch bei der Erstellung des Konzernabschlusses eine ganze Reihe von besonderen Fragestellungen ergeben.

 

Kapitalkonsolidierung: Was ist das?

Schauen wir z. B. auf die Kapitalkonsolidierung: Das Mutterunternehmen hat Anteile an dem Tochterunternehmen erworben und stellt dem Tochterunternehmen damit Eigenkapital zur Verfügung. Ein Unternehmen erhält Kapital jedoch von externen Kapitalgebern: Es gewährt sich selbst weder Eigenkapital noch z. B. ein Darlehen. Im Konzernabschluss dürfen daher weder die Anteile an einem Tochterunternehmen noch das Eigenkapital, das darauf entfällt, ausgewiesen werden. Dementsprechend werden die Anteile an dem Tochterunternehmen mit dem darauf entfallenden Eigenkapital verrechnet. Diese Verrechnung wird als Kapitalkonsolidierung bezeichnet.

Prinzipiell entspricht die Kapitalkonsolidierung der Bilanzierung eigener Anteile im Einzelabschluss. Auch hier werden die Anteile, die ein Unternehmen „an sich selbst“ hält, mit dem Eigenkapital saldiert, jedoch nicht vollständig positionsgenau.

Kapitalkonsolidierung - Wo ist das Problem?

Kapitalkonsolidierung: Wo ist das Problem?

Die Kapitalkonsolidierung beruht auf den Verhältnissen zu dem Zeitpunkt, an dem das Tochterunternehmen erstmalig voll konsolidiert wird: Die Anschaffungskosten der Anteile an dem Tochterunternehmen werden mit dem darauf entfallenden neu bewerteten Eigenkapital zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung verrechnet. Zu bestimmen sind folglich:

  1. Die Anschaffungskosten der Anteile an dem Tochterunternehmen
  2. Der Erstkonsolidierungszeitpunkt
  3. Das neu bewertete Eigenkapital des Tochterunternehmens zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung

 

In diesem Beitrag stehen besondere Fragestellungen zu den Anschaffungskosten der Anteile und dem Erstkonsolidierungszeitpunkt im Mittelpunkt. Betrachtet wird ausschließlich die Vollkonsolidierung. Fragestellungen der Equity-Bewertung oder der Quotenkonsolidierung werden nicht erörtert.

 

Ermittlung der Anschaffungskosten der Anteile

Grundsätzlich basiert die Kapitalkonsolidierung auf den Anschaffungskosten, mit denen die Anteile an dem Tochterunternehmen im Einzelabschluss des Mutterunternehmens bei ihrer erstmaligen Aktivierung bewertet wurden. Für einen HGB-Abschluss sind dies nach § 255 Abs. 1 HGB der Anschaffungspreis einschließlich Anschaffungsnebenkosten und Anschaffungspreisminderungen, die dem erworbenen Vermögensgegenstand direkt zurechenbar sind, sowie nachträgliche Anschaffungskosten. DRS 23.24 stellt klar, dass es sich nur um Ausgaben handeln darf, die nach der Entscheidung für den Kauf der Anteile getätigt wurden.

Häufig werden weitere Zahlungen oder andere Gegenleistungen des Mutterunternehmens an die Verkäufer der Anteile vereinbart, wenn in einem festgelegten Zeitraum nach dem Kauf bestimmte im Kaufvertrag vereinbarte Erfolgs- oder Bilanzkennzahlen wie Umsatzerlöse, ein Mindestergebnis des Tochterunternehmens oder eine bestimmte Eigenkapitalquote erreicht werden (bedingte Kaufpreisbestandteile, z. B. Earn-Out-Klauseln). Ist der Eintritt der Bedingung in der Zukunft wahrscheinlich, ist in Höhe des Barwertes der vereinbarten Gegenleistung eine Rückstellung zu bilden (DRS 23.31). Der Betrag erhöht die Anschaffungskosten der Anteile. In den Folgeperioden wird die Rückstellung erfolgswirksam aufgezinst. In der Kommentarliteratur wird jedoch die Meinung vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung der Bedingung in den meisten Fällen zu niedrig ist, um eine Rückstellungsbildung zu rechtfertigen.

Für die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS müssen die Anschaffungskosten aus dem HGB-Abschluss angepasst werden: Anschaffungsnebenkosten, wie z. B. Notarkosten, sind nach IFRS 3.53 nicht Bestandteil der Anschaffungskosten der Anteile an Tochterunternehmen, sondern werden sofort aufwands- und damit ergebniswirksam erfasst. Damit wird – falls keine weiteren Unterschiede vorliegen – ein geringerer Goodwill ausgewiesen als in einem Konzernabschluss nach HGB. Im Hinblick auf den impairment only approach, also die ausschließlich außerplanmäßige Abschreibung des Goodwill im IFRS-Konzernabschluss, erscheint dies durchaus sinnvoll. Bedingte Kaufpreisbestandteile müssen mit ihrem beizulegenden Zeitwert in die Anschaffungskosten der Anteile einbezogen werden. Die Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt nicht den Ansatz, sondern nur den Betrag der zu passivierenden liability.

 

Änderung der Anschaffungskosten nach der Erstkonsolidierung

Verändert sich in den Perioden nach der Erstkonsolidierung der Wert der Anteile infolge bedingter Kaufpreisbestandteile, muss der Änderungsbetrag im Rahmen der (Folge-) Kapitalkonsolidierung berücksichtigt werden. DRS 23 gibt für diesen Fall eine klare Vorgehensweise an. Dies beginnt schon mit der Anpassung der Anschaffungskosten: der zusätzlich vom Käufer der Anteile zu leistende Betrag muss in Höhe seines Barwertes in den Anschaffungskosten berücksichtigt werden, Gegenposition ist eine Rückstellung. Sollte ein bedingter Kaufpreisbestandteil bereits vorher berücksichtigt worden sein (s. o.), werden in Höhe der Differenz der Barwerte zum Erwerbszeitpunkt die Anschaffungskosten der Anteile und die Rückstellung korrigiert. Es ist nach DRS 23.32 f. retrospektiv anzupassen, d. h., wurde ein zu geringer Betrag angesetzt, muss zusätzlicher Zinsaufwand erfasst werden, bei einer zu hohen Schätzung ein Zinsertrag als Ausgleich zu dem in Vorperioden zu hohen Zinsaufwand. Die Änderung der Anschaffungskosten führt nach DRS 23.160 f. zu einer entsprechenden Änderung des Unterschiedsbetrags aus der Kapitalkonsolidierung der Fortführungsbeträge.

 

Beispiel:

Die Anschaffungskosten der Anteile an einem Tochterunternehmen werden für den 01.10.2023 (Zeitpunkt der Erstkonsolidierung) mit 1.000.000 € ermittelt. Auf die Anteile entfällt ein neubewertetes Eigenkapital von 800.000 €, aus der Konsolidierung ergibt sich ein Goodwill von 200.000 €.  Bei einer Abschreibung des Goodwill über 10 Jahre werden bei linearer Abschreibung im Abschluss zum 31.12.2023 eine Goodwill-Abschreibung von 5.000 € und in 2024 von 20.000 € erfasst.

Annahme: die Bedingung einer Earn-Out-Vereinbarung ist am 31.12.2024 erfüllt und führt zu einer zusätzlichen Zahlung von 110.000 €. Der Barwert dieser Zahlung betrage zum 01.10.2023 100.000 €. Die Anschaffungskosten der Anteile werden im Abschluss zum 31.12.2024 um 100.000 € erhöht, der Goodwill rückwirkend ebenfalls. Die Abschreibungen werden um den fehlenden Betrag für 15 Monate, also um (100.000 € / 10 Jahre) * 1,25 Jahre = 12.500 € angepasst. Die Differenz zwischen der zusätzlichen Zahlung und ihrem Barwert in Höhe von 10.000 € wird als Zinsaufwand erfasst.

Für die Berücksichtigung der Anpassung von Anschaffungskosten aufgrund einer Earn-out-Klausel in der Kapitalkonsolidierung gilt in einem IFRS-Abschluss das „one-year-window“:  Änderungen des beizulegenden Zeitwerts innerhalb eines Jahres resultieren in einer Änderung des Goodwill. Anpassungen in der Folgezeit sind erfolgswirksam zu erfassen. Das heißt: Wird der bedingte Kaufpreisanteil zum Zeitpunkt der Anschaffung zu hoch geschätzt, führt eine Korrektur nach unten in den ersten zwölf Monaten zu einer Verringerung des Goodwill, danach zu einem Ertrag. Umgekehrt müssen in den Anschaffungskosten zu wenig berücksichtigte Beträge in der folgenden Periode als Erhöhung des Goodwill, danach als Aufwand erfasst werden. Dies kann tendenziell einen Anreiz zu einer Überschätzung der bedingten Kaufpreisbestandteile bei der Ermittlung der Anschaffungskosten darstellen.

Zeitpunkt der Erstkonsolidierung

Ein Tochterunternehmen ist grundsätzlich ab dem Zeitpunkt voll zu konsolidieren, an dem es Tochterunternehmen geworden ist, also sobald das Mutterunternehmen die Tochter beherrscht. Spezielle Fragestellungen zu den Anschaffungskosten der Anteile und zum neubewerteten Eigenkapital können entstehen, wenn

  • die Beherrschung zumindest zum Teil zeitlich nach dem Erwerb der Anteile entsteht, z. B. bei sukzessivem Anteilserwerb;
  • das Tochterunternehmen aufgrund des Wesentlichkeitsprinzips bislang nicht vollkonsolidiert worden ist (explizites Wahlrecht nach § 296 Abs. 2 HGB).

 

Für einen HGB-Konzernabschluss sind grundsätzlich die im Einzelabschluss bilanzierten Anschaffungskosten der Anteile der Kapitalkonsolidierung zugrunde zu legen, die Anteile sind also nicht auf den Zeitpunkt der Erstkonsolidierung neu zu bewerten. Wurden sie in der Zwischenzeit außerplanmäßig abgeschrieben, ist dieser niedrigere beizulegende Wert Grundlage für die Erstkonsolidierung. Für den Sonderfall, dass vor der erstmaligen Vollkonsolidierung die Equity-Bewertung angewandt wurde, kann auch der letzte Equity-Buchwert als Anschaffungswert für die bislang at equity bewerteten Anteile gelten.

Verrechnet werden die zumindest zum Teil mit den historischen Anschaffungskosten bewerteten Anteile mit dem auf sie entfallenden, auf den Zeitpunkt der Erstkonsolidierung neubewerteten Eigenkapital. Wenn sich das Tochterunternehmen in der Zwischenzeit gut entwickelt hat, hat sich das Eigenkapital erhöht, so dass ggf. aus einem Goodwill im Zeitpunkt oder in den Zeitpunkten des Erwerbs der Anteile nun ein (technischer) passiver Unterschiedsbetrag in der Erstkonsolidierung ergeben kann. Dieser wird sofort mit den Konzerngewinnrücklagen verrechnet. Falls die Erhöhung des neubewerteten Eigenkapitals gegenüber dem Erwerbszeitpunkt der Anteile auf einer Erhöhung von stillen Reserven, ggf. saldiert mit zusätzlichen stillen Lasten, beruht, ist der daraus resultierende passive Unterschiedsbetrag nach DRS 23.147b entsprechend der Entwicklung der Positionen aufzulösen, denen er zugeordnet werden kann. Ein Trennen zwischen Ursachen für die Entstehung des passiven Unterschiedsbetrags wird insbesondere Probleme bereiten, wenn ursprünglich ein Goodwill vorhanden war. Sofern nicht wichtige Gründe dagegensprechen, ist aus meiner Sicht eine Verrechnung des Gesamtbetrags mit den Konzerngewinnrücklagen aus Kosten-Nutzen-Erwägungen zulässig.

In einem Abschluss nach IFRS sind im Falle des sukzessiven Anteilerwerbs die Anteile erfolgswirksam mit dem beizulegenden Zeitwert zum Erstkonsolidierungszeitpunkt zu bewerten und mit dem neubewerteten Eigenkapital im Zeitpunkt der Erstkonsolidierung zu verrechnen. Für den Fall, dass ein Tochterunternehmen zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich wird, existieren in den IFRS keine spezifischen Regelungen. Grundsätzlich wäre retrospektiv vorzugehen, also so zu bilanzieren, als wäre das Tochterunternehmen bereits erstkonsolidiert worden, als es Tochterunternehmen geworden ist. Dann wären die Anschaffungskosten und das neubewertete Eigenkapital im Zeitpunkt des Kontrollerwerbs durch die Mutter zu ermitteln und die stillen Reserven und Lasten auf den Zeitpunkt der Erstkonsolidierung fortzuschreiben. Diese Vorgehensweise ist sehr aufwendig und nicht ermessensfrei. Daher können die Anschaffungskosten der Anteile zur Vereinfachung auch mit dem anteiligen Buchwert des Eigenkapitals des Tochterunternehmens im Zeitpunkt der Erstkonsolidierung verrechnet werden.

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    Prof. Dr. Karin Breidenbach

    Prof. Dr. Karin Breidenbach ist Dozentin für nationale und internationale (Konzern-) Rechnungslegung an der Fachhochschule Dortmund. Praktische Erfahrung in der Rechnungslegung erwarb sie im externen Rechnungswesen eines Energieversorgungsunternehmens. Sie ist Mitglied der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft und der Prüfungskommission der Wirtschaftsprüferkammer. Prof. Dr. Breidenbach hat zahlreiche Beiträge zur Rechnungslegung veröffentlicht und ist Mitautorin eines Handbuchs zur Bilanzierung von Umsatzerlösen nach HGB und IFRS sowie eines Lehrbuchs zum handelsrechtlichen Jahresabschluss und eines für die integrierte Unternehmensplanung. Für das IFRS-Handbuch (Hrsg.: Carsten Theile) hat sie die Kommentierung des IFRS 15 verfasst.