Kapitalkonsolidierung: Wo ist das Problem?
Die Kapitalkonsolidierung beruht auf den Verhältnissen zu dem Zeitpunkt, an dem das Tochterunternehmen erstmalig voll konsolidiert wird: Die Anschaffungskosten der Anteile an dem Tochterunternehmen werden mit dem darauf entfallenden neu bewerteten Eigenkapital zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung verrechnet. Zu bestimmen sind folglich:
- Die Anschaffungskosten der Anteile an dem Tochterunternehmen
- Der Erstkonsolidierungszeitpunkt
- Das neu bewertete Eigenkapital des Tochterunternehmens zum Zeitpunkt der Erstkonsolidierung
In diesem Beitrag stehen besondere Fragestellungen zu den Anschaffungskosten der Anteile und dem Erstkonsolidierungszeitpunkt im Mittelpunkt. Betrachtet wird ausschließlich die Vollkonsolidierung. Fragestellungen der Equity-Bewertung oder der Quotenkonsolidierung werden nicht erörtert.
Ermittlung der Anschaffungskosten der Anteile
Grundsätzlich basiert die Kapitalkonsolidierung auf den Anschaffungskosten, mit denen die Anteile an dem Tochterunternehmen im Einzelabschluss des Mutterunternehmens bei ihrer erstmaligen Aktivierung bewertet wurden. Für einen HGB-Abschluss sind dies nach § 255 Abs. 1 HGB der Anschaffungspreis einschließlich Anschaffungsnebenkosten und Anschaffungspreisminderungen, die dem erworbenen Vermögensgegenstand direkt zurechenbar sind, sowie nachträgliche Anschaffungskosten. DRS 23.24 stellt klar, dass es sich nur um Ausgaben handeln darf, die nach der Entscheidung für den Kauf der Anteile getätigt wurden.
Häufig werden weitere Zahlungen oder andere Gegenleistungen des Mutterunternehmens an die Verkäufer der Anteile vereinbart, wenn in einem festgelegten Zeitraum nach dem Kauf bestimmte im Kaufvertrag vereinbarte Erfolgs- oder Bilanzkennzahlen wie Umsatzerlöse, ein Mindestergebnis des Tochterunternehmens oder eine bestimmte Eigenkapitalquote erreicht werden (bedingte Kaufpreisbestandteile, z. B. Earn-Out-Klauseln). Ist der Eintritt der Bedingung in der Zukunft wahrscheinlich, ist in Höhe des Barwertes der vereinbarten Gegenleistung eine Rückstellung zu bilden (DRS 23.31). Der Betrag erhöht die Anschaffungskosten der Anteile. In den Folgeperioden wird die Rückstellung erfolgswirksam aufgezinst. In der Kommentarliteratur wird jedoch die Meinung vertreten, dass die Wahrscheinlichkeit für die Erfüllung der Bedingung in den meisten Fällen zu niedrig ist, um eine Rückstellungsbildung zu rechtfertigen.
Für die Aufstellung eines Konzernabschlusses nach IFRS müssen die Anschaffungskosten aus dem HGB-Abschluss angepasst werden: Anschaffungsnebenkosten, wie z. B. Notarkosten, sind nach IFRS 3.53 nicht Bestandteil der Anschaffungskosten der Anteile an Tochterunternehmen, sondern werden sofort aufwands- und damit ergebniswirksam erfasst. Damit wird – falls keine weiteren Unterschiede vorliegen – ein geringerer Goodwill ausgewiesen als in einem Konzernabschluss nach HGB. Im Hinblick auf den impairment only approach, also die ausschließlich außerplanmäßige Abschreibung des Goodwill im IFRS-Konzernabschluss, erscheint dies durchaus sinnvoll. Bedingte Kaufpreisbestandteile müssen mit ihrem beizulegenden Zeitwert in die Anschaffungskosten der Anteile einbezogen werden. Die Höhe der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt nicht den Ansatz, sondern nur den Betrag der zu passivierenden liability.
Änderung der Anschaffungskosten nach der Erstkonsolidierung
Verändert sich in den Perioden nach der Erstkonsolidierung der Wert der Anteile infolge bedingter Kaufpreisbestandteile, muss der Änderungsbetrag im Rahmen der (Folge-) Kapitalkonsolidierung berücksichtigt werden. DRS 23 gibt für diesen Fall eine klare Vorgehensweise an. Dies beginnt schon mit der Anpassung der Anschaffungskosten: der zusätzlich vom Käufer der Anteile zu leistende Betrag muss in Höhe seines Barwertes in den Anschaffungskosten berücksichtigt werden, Gegenposition ist eine Rückstellung. Sollte ein bedingter Kaufpreisbestandteil bereits vorher berücksichtigt worden sein (s. o.), werden in Höhe der Differenz der Barwerte zum Erwerbszeitpunkt die Anschaffungskosten der Anteile und die Rückstellung korrigiert. Es ist nach DRS 23.32 f. retrospektiv anzupassen, d. h., wurde ein zu geringer Betrag angesetzt, muss zusätzlicher Zinsaufwand erfasst werden, bei einer zu hohen Schätzung ein Zinsertrag als Ausgleich zu dem in Vorperioden zu hohen Zinsaufwand. Die Änderung der Anschaffungskosten führt nach DRS 23.160 f. zu einer entsprechenden Änderung des Unterschiedsbetrags aus der Kapitalkonsolidierung der Fortführungsbeträge.
Beispiel:
Die Anschaffungskosten der Anteile an einem Tochterunternehmen werden für den 01.10.2023 (Zeitpunkt der Erstkonsolidierung) mit 1.000.000 € ermittelt. Auf die Anteile entfällt ein neubewertetes Eigenkapital von 800.000 €, aus der Konsolidierung ergibt sich ein Goodwill von 200.000 €. Bei einer Abschreibung des Goodwill über 10 Jahre werden bei linearer Abschreibung im Abschluss zum 31.12.2023 eine Goodwill-Abschreibung von 5.000 € und in 2024 von 20.000 € erfasst.
Annahme: die Bedingung einer Earn-Out-Vereinbarung ist am 31.12.2024 erfüllt und führt zu einer zusätzlichen Zahlung von 110.000 €. Der Barwert dieser Zahlung betrage zum 01.10.2023 100.000 €. Die Anschaffungskosten der Anteile werden im Abschluss zum 31.12.2024 um 100.000 € erhöht, der Goodwill rückwirkend ebenfalls. Die Abschreibungen werden um den fehlenden Betrag für 15 Monate, also um (100.000 € / 10 Jahre) * 1,25 Jahre = 12.500 € angepasst. Die Differenz zwischen der zusätzlichen Zahlung und ihrem Barwert in Höhe von 10.000 € wird als Zinsaufwand erfasst.
Für die Berücksichtigung der Anpassung von Anschaffungskosten aufgrund einer Earn-out-Klausel in der Kapitalkonsolidierung gilt in einem IFRS-Abschluss das „one-year-window“: Änderungen des beizulegenden Zeitwerts innerhalb eines Jahres resultieren in einer Änderung des Goodwill. Anpassungen in der Folgezeit sind erfolgswirksam zu erfassen. Das heißt: Wird der bedingte Kaufpreisanteil zum Zeitpunkt der Anschaffung zu hoch geschätzt, führt eine Korrektur nach unten in den ersten zwölf Monaten zu einer Verringerung des Goodwill, danach zu einem Ertrag. Umgekehrt müssen in den Anschaffungskosten zu wenig berücksichtigte Beträge in der folgenden Periode als Erhöhung des Goodwill, danach als Aufwand erfasst werden. Dies kann tendenziell einen Anreiz zu einer Überschätzung der bedingten Kaufpreisbestandteile bei der Ermittlung der Anschaffungskosten darstellen.