Neue Herausforderungen ab 2025: Verschärfte Anforderungen bei der Verrechnungspreis-dokumentation für multinationale Unternehmen

Veröffentlicht 18. Nov. 2024  | 3 Min. Lesezeit
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    Younes Melhem

Die Verrechnungspreisdokumentation ist seit Jahren ein zentrales Thema für multinationale Unternehmen. Die Anforderungen (insbesondere verkürzte Vorlagefristen) an die Verrechnungs­preis­dokumentation verschärfen sich ab 2025 erheblich, mit Auswirkungen auf die Steuerstrategie und Compliance der betroffenen Unternehmen. Die verkürzten Vorlagefristen und neue Bestandteile der Dokumentation führen dazu, dass international tätige Unternehmen ab 2025 eine Verrechnungs­preis­dokumentation proaktiv erstellen sollten, da die engen zeitlichen Vorgaben ansonsten kaum noch realistisch erfüllbar sind.

 

Die neuen Herausforderungen

Mit den neuen Regelungen sollten betroffene Unternehmen verpflichtet werden, eine Verrechnungs­preis­dokumentation innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung – ohne gesonderte Aufforderung – vorzulegen. Diese Frist gilt sowohl für das Local File als auch für das Master File. Bisher betrug die Frist 60 Tage, und es war eine gesonderte Anforderung durch den Außenprüfer notwendig. Darüber hinaus, kann die Finanzverwaltung die Verrechnungspreis­dokumentation jetzt auch außerhalb von Betriebsprüfungen anfordern, etwa im Rahmen eines (Vorab-)Verständigungsverfahrens. Da die neuen Fristen auch für Geschäftsjahre vor 2025 gelten, wenn die Prüfungsanordnung erst nach dem 31.12.2024 bekanntgegeben wird, müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie stets eine aktuelle Verrechnungs­preis­dokumentation vorhalten.

 

Vermeintliche Erleichterung durch aktuelles Gesetzgebungsverfahren

Durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz ist eine vermeintliche Verfahrensvereinfachung der Verrechnungspreis­dokumentation vorgesehen. Abweichend zu den geplanten Änderungen ab 2025 ist eine automatische Vorlage nach Prüfungsanordnung „nur“ noch für eine neue eingeführte Transaktionsmatrix, das Master File und Aufzeichnungen über außergewöhnliche Geschäftsvorfälle vorgesehen, nicht aber für die vollständige Verrechnungspreisdokumentation. Die vollständige Verrechnungspreis­dokumentation ist dann innerhalb von 30 Tagen nach Anforderung des Außenprüfer notwendig. Der Inhalt der Transaktionsmatrix soll noch konkretisiert werden.

Diese vermeintliche Erleichterung stellt für die Praxis keine echte Erleichterung dar. Die Transaktionsmatrix als neuer Bestandteil des Local Files ist eher ein Zusatzaufwand, der nun innerhalb der Erstellung der Dokumentation noch dazu kommt. Es ist davon auszugehen, dass Außenprüfer zu Beginn der Prüfung die Vorlage der vollständigen anfordern, sodass faktisch ab Prüfungsanordnung 30 Tage + 30 Tage ab Anforderung/Prüfungsbeginn zur Erstellung einer vollständigen Verrechnungspreis­dokumentation verbleiben.

Betroffene Unternehmen

Unternehmen, die Teil einer internationalen Unternehmensgruppe sind und deren (konzerninternen grenzüberschreitenden) Geschäftsbeziehungen bestimmte Schwellenwerte überschreiten (z. B. Lieferungen von Gütern über 6 Millionen Euro oder Dienstleistungen über 600.000 Euro), müssen ein Local File erstellen. Bei einem Gesamtumsatz von über 100 Millionen Euro ist zudem ein Master File erforderlich, das einen umfassenden Überblick über die globale Verrechnungspreisstrategie bietet.

Country-by-Country Reporting (CbCR): Zusätzlich dazu sind Konzerne mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro verpflichtet, ein Country-by-Country Reporting zu erstellen, das den Steuerbehörden eine detaillierte Übersicht über die globale Gewinnverteilung bietet.

 

Konsequenzen bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten

Bei fehlender oder unverwertbarer Verrechnungspreis­dokumentation kann die Finanzbehörde Schätzungen der Einkünfte zu Ungunsten des Steuerpflichtigen vornehmen. Diese Schätzungen werden vermutet, dass sie höher ausfallen als die erklärten Einkünfte, was für das Unternehmen erhebliche finanzielle Risiken bedeutet. Darüber hinaus ist ein Zuschlag nach Ermessen der Finanzbehörden zwischen 5-10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, mindestens aber in Höhe von 5.000 Euro festzusetzen. Ist die Verrechnungspreis­dokumentation zwar verwertbar, wurde aber verspätet vorgelegt, beträgt der Zuschlag nach Ermessen der Finanzbehörden bis zu 1 Million Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung.

Die konsequente Einhaltung der neuen Regeln erfordert eine frühzeitige Planung und enge Zusammenarbeit zwischen Steuerabteilungen und anderen Bereichen der Finanzfunktion, wie z.B. der Finanzbuchhaltung und dem Controlling. Eine rechtzeitig und sorgfältig erstellte Dokumentation ist entscheidend, um Compliance-Risiken zu minimieren und den reibungslosen Ablauf von Betriebsprüfungen zu gewährleisten.

 

Die Rolle der Technologie und die Auswirkung auf die Steuerstrategie

Angesichts der zunehmenden Komplexität und des Umfangs der Verrechnungspreisdokumentation spielt die Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Moderne Softwarelösungen ermöglichen es, große Datenmengen effizient zu verarbeiten, Verrechnungspreisanalysen ggf. zu automatisieren und eine konsistente Dokumentation sicherzustellen. Unternehmen sollten daher Steuer- sowie Finanzdatenmanagementsysteme integrieren, um die neuen Anforderungen zu erfüllen.

Fazit

Die verschärften Anforderungen an die Verrechnungspreis­dokumentation ab 2025 stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, bieten aber auch Chancen zur Optimierung der Steuerstrategie. Durch eine frühzeitige Planung, den gezielten Einsatz von Technologie und eine enge Zusammenarbeit mit spezialisierten Steuerberatern können Unternehmen ihre Compliance sicherstellen und finanzielle Risiken minimieren.

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    Younes Melhem

    Younes Melhem ist seit mehreren Jahren als Steuerberater auf dem Gebiet der Umstrukturierung/ Reorganisationen im Rahmen von M&A-Projekten tätig. Er ist Aufsichtsratsmitglied bei einer Aktiengesellschaft in Niedersachsen, Dozent beim Lehrgangswerk Haas und Autor von Veröffentlichungen, insbesondere zu Umwandlungsthemen.