Problematische Positionen von IASB und DRSC
Kapitalerhöhungen bei Tochterunternehmen sind ein häufiges strategisches Instrument, um Wachstum zu finanzieren und die Kapitalbasis zu stärken. Doch welche Auswirkungen haben solche Maßnahmen auf die Kapitalkonsolidierung im Konzernabschluss? Und was sagen die Standardsetter dazu? Der Beitrag zeigt die Vorgehensweise bei proportionalen und bei disproportionalen Kapitalerhöhungen.
Der einfachste Fall: Mutterunternehmen ist einziger Anteilseigner am Tochterunternehmen
Durch eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen fließen einem Tochterunternehmen durch die Gesellschafter neue Mittel zu. Ist das Mutterunternehmen einziger Anteilseigner des Tochterunternehmens und ändert sich daran auch bei der Kapitalerhöhung nichts, ist die Kapitalkonsolidierung trivial: Das Eigenkapital des Tochterunternehmens erhöht sich um genau den Betrag, um den sich auch der Beteiligungsbuchwert beim Mutterunternehmen erhöht. Voraussetzung: Allfällige Anschaffungsnebenkosten werden beim Mutterunternehmen als Aufwand verrechnet. So ist es im IFRS-Konzernabschluss vorgesehen, und auch das DRSC folgt dieser Sichtweise für den HGB-Konzernabschluss. Aus der Kapitalkonsolidierung der neuen Anteile entsteht dann kein Unterschiedsbetrag. Das ist auch logisch, denn das Konzernvermögen hat sich durch die Kapitalerhöhung beim Tochterunternehmen – etwaige Anschaffungsnebenkosten beim Mutterunternehmen bleiben hier und im Folgenden ausgeklammert – nicht verändert.
Tochterunternehmen mit nicht beherrschenden Anteilseignern (nbA)
Etwas genauer hinschauen muss man, wenn an dem Tochterunternehmen auch nicht beherrschende Anteilseigner (nbA) beteiligt sind. Hier ist eine Fallunterscheidung hilfreich: Nehmen alle Gesellschafter in Höhe ihrer Beteiligungsquote an der Kapitalerhöhung teil, spricht man von sogenannter proportionaler Kapitalerhöhung (Fall 1). Davon zu trennen sind Kapitalerhöhungen, durch die sich die Beteiligungsquoten ändern, sog. disproportionale Kapitalerhöhungen (Fall 2).
Fall 1: Proportionale Kapitalerhöhungen
Bei der proportionalen Kapitalerhöhung entspricht die Erhöhung des Beteiligungsbuchwerts des Mutterunternehmens auch dem Anstieg des anteiligen Eigenkapitals des Tochterunternehmens, so dass sich wie bei der Kapitalerhöhung einer 100%-Tochter keine Differenzen aus der Kapitalkonsolidierung ergeben. Allerdings nehmen jetzt auch nbA an der Kapitalerhöhung teil, so dass zusätzliches Vermögen in den Konzern fließt. Der im Eigenkapital der Konzernbilanz ausgewiesene nbA-Buchwert erhöht sich. Im Konzerneigenkapitalspiegel wird nicht nur diese Erhöhung angegeben, sondern auch ihr Grund („Kapitalerhöhung“). Schließlich ist in der Konzernkapitalflussrechnung der von den nbA zugeflossene Betrag im Cashflow aus Finanzierungstätigkeit auszuweisen.
Fall 2: Disproportionale Kapitalerhöhungen
Die beiden Gesellschaftergruppen – das Mutterunternehmen (einschließlich ggf. weitere vollkonsolidierte Anteilseigner) und die nbA – nehmen nicht im Verhältnis ihrer bisherigen Beteiligungsquoten an der Kapitalerhöhung teil. Der häufigere Fall dürfte sein, dass das Mutterunternehmen unterproportional oder gar nicht an der Kapitalerhöhung teilnimmt: Die Kapitalerhöhung hat dann eine größere Konzernfinanzierungsfunktion als im proportionalen Fall. Auch ein Börsengang des Tochterunternehmens kann so vollzogen werden, wie es im vergangenen Jahr bei thyssenkrupp nucera zu beobachten war. Sofern aber durch die Kapitalmaßnahme des Tochterunternehmens die Stimmrechtsmehrheit des Mutterunternehmens und dadurch die Beherrschung entfallen, ist eine Entkonsolidierung bzw. eine Übergangskonsolidierung auf die Equity-Methode durchzuführen.
Fortdauernde Beherrschung und Kapitalkonsolidierung trotz Rückgang der Beteiligungsquote
Bei fortdauernder Beherrschung wird das Tochterunternehmen auch nach der disproportionalen Kapitalerhöhung weiterhin in den Konzernabschluss einbezogen. Das Mutterunternehmen behält seinen Anteil am Tochterunternehmen, aber durch die Kapitalerhöhung, an der nur die nbA teilnehmen, verringert sich die Beteiligungsquote am Nennwert der Anteile (gezeichnetes Kapital) z. B. von 90 % auf 60 % und die der nbA erhöht sich entsprechend. Allerdings richtet sich die Höhe der Einzahlung der nbA nicht nach dem Nennwert der Anteile und auch nicht nach dem Buchwert des Eigenkapitals, sondern nach dem typischerweise höheren Fair Value (Unternehmenswert). Die nbA zahlen also ein Agio. Gemessen am Fair Value der Anteile beträgt ihre Quote dann 40 % und die des Mutterunternehmens 60 % - das ist auch das neue Verhältnis am gezeichneten Kapital. Da aber nur die nbA den Fair Value der neuen Anteile eingezahlt haben, nicht aber das Mutterunternehmen, steigt der Anteil der nbA am bilanziell ausgewiesenen neuen Buchwert des gesamten Eigenkapitals des Tochterunternehmens auf über 40 % und der des Mutterunternehmens sinkt auf unter 60 %. Dessen ungeachtet bleibt es aber dabei, dass der Anteil der nbA am gezeichneten Kapital nur 40 % beträgt. Mit diesem Prozentsatz wird auch der Anteil an künftigen Ergebnissen des Tochterunternehmens bestimmt, die den nbA zuzurechnen sind.
IASB verlangt Umbuchung im Eigenkapital zwischen Gesellschaftergruppen
Eigentlich könnte man hier einen Haken machen und zur Tagesordnung übergehen, denn: Das eine Gesellschaftergruppe für ihre (neuen!) Anteile ein Agio zahlt und dieses auch dieser Gesellschaftergruppe zugerechnet bleibt, ist unmittelbar einleuchtend. Doch die Standardsetter sehen es anders. Der IASB (IFRS 10.B96) verlangt eine Umbuchung im Eigenkapital zwischen den Gesellschaftergruppen, damit ein Verhältnis von im Beispiel 60%/40% nicht nur am gezeichneten Kapital, sondern – nach Umbuchung - auch am bilanziell ausgewiesenen Eigenkapital des Tochterunternehmens besteht.
DRSC: Erfolgsneutrale oder erfolgswirksame Umbuchung
Das DRSC (DRS 23.168) lässt neben dieser erfolgsneutralen Umbuchung zusätzlich eine erfolgswirksame Erfassung der Verschiebung zwischen den Gesellschaftergruppen zu. Das DRSC bemüht hierzu als Begründung explizit eine Analogie zur Vorgehensweise der Abstockung ohne Statuswechsel, bei der Anteile des Mutterunternehmens an die nbA veräußert werden. Das trifft aber nicht den Fall der disproportionalen Kapitalerhöhung, da eine Anteilsübertragung zwischen den Gesellschaftergruppen überhaupt nicht stattfindet. Stattdessen gibt es eine zusätzliche Einlage, die sich nach dem Fair Value des vorhandenen Vermögens bemisst. Für die vom DRSC vorgesehene Bilanzierung der disproportionalen Kapitalerhöhung analog zum Veräußerungsfall – unabhängig davon, ob dieser dann erfolgswirksam oder erfolgsneutral behandelt werden soll - fehlt der Zufluss eines Erlöses an die Gesellschafter. Somit verstößt insbesondere der in DRS 23.168 zugelassene Ausweis eines Veräußerungsgewinns gegen das Realisationsprinzip, wie in Teilen des Schrifttums auch kritisch angemerkt wird.
Was tun?
Was ist zu tun, welche Empfehlung kann ich vorsichtig formulieren? Wer Auseinandersetzungen und Hinweise im Prüfungsbericht, möglicherweise auch im Bestätigungsvermerk scheut, der folgt den Standardsettern. Andererseits scheint eine Vorgehensweise entgegen DRS möglich, da diese „nur“ die Vermutung von Konzern-GoB in sich tragen. Für den IFRS-Konzernabschluss wird im Schrifttum teilweise ebenfalls eine Auslegung entgegen IFRS 10.B96 befürwortet, allein: Die Bilanzierungspraxis hält sich an den Wortlaut des Standards. Ein Beispiel: Durch die Kapitalerhöhung von thyssenkrupp nucera infolge des Börsengangs haben die neuen nbA 517 Mio. € eingezahlt. Lt. Eigenkapitalspiegel werden den nbA davon jedoch nur 257 Mio. € zugerechnet. 259 Mio. € sind in das Eigenkapital, welches auf die Aktionäre der thyssenkrupp AG entfällt, eingestellt worden, und zwar in die Gewinnrücklage. Dem Mutterunternehmen thyssenkrupp AG wird so genau der Anteil am bilanziell ausgewiesenen Eigenkapital von thyssenkrupp nucera zugewiesen, der ihrem Anteil am gezeichneten Kapital entspricht.
Werden sich IASB und DRSC des Themas noch einmal annehmen, ihre Position vielleicht überdenken? Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Glück Auf!
Ihr Carsten Theile